Das Johanniskraut gehört heute zu den ganz großen Arzneipflanzen, es spielte aber auch in früheren Zeiten keine geringe Rolle. Dabei ist seine Geschichte in der Kräuterheilkunde nicht einfach zu verfolgen. Bei den Griechen trug die Pflanze den Namen Androsaimon („Mannsblut“, weil die gequetschten Blüten und Blätter eine blutrote Farbe liefern, das heutige „Rotöl“), und so heißt sie auch bei dem Römer Plinius. Dioskurides sagt uns in seiner ‚Materia medica’ aus dem 1. Jh. n. Chr., wofür man die Pflanze in der Antike verwendet hat: bei Ischias, „denn sie führt viel gallige Unreinigkeit ab“, außerdem wird sie als ein gutes Mittel bei Brandwunden gerühmt.

Geschichte

Überraschenderweise findet sich im ältesten erhaltenen Buch der Klostermedizin, dem ‚Lorscher Arzneibuch’ aus der Zeit um 795, ein ganz anderes Anwendungsgebiet: das Johanniskraut wird hier gegen die „Melancholie“ empfohlen, und Melancholie bedeutet Trübsinn, Depression. Und genau das ist die wichtigste aktuelle Anwendung!

In den folgenden Jahrhunderten ist allerdings von der Pflanze nur selten die Rede.
Erst im Verlauf des 14. Jahrhunderts wird sie wieder häufiger erwähnt, unter anderem im ‚Buch der Natur’ des Konrad von Megenberg (14. Jh.). Das Johanniskraut trägt nun neue Namen wie ‚ Königskrone’, oder ‚Fuga daemonum’, was soviel wie „Dämonenflucht“ oder „Teufelsflucht“ heißt. Diese Namen finden sich z.B. bei Adam Lonitzer (17. Jh.). Dieser Name kommt nicht von ungefähr, die Pflanze wird nämlich am Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit in die Rituale des Exorzismus eingebracht. Vielleicht deshalb, weil man damals bei bedrückenden Stimmungen und Gedanken einen bösen Geist, eine „Besessenheit“ dahinter vermutete. So könnte sich hinter dem Einsatz des Johanniskrauts als „Teufelsflucht“ bei Exorzismen ein Wissen um die psychogene Wirkung verbergen, die man in der damaligen Vorstellungswelt freilich noch ganz anders eingeordnet hat.

Neben dieser besonderen Rolle galt und gilt das Johanniskraut vom späten Mittelalter bis heute als eine der wichtigeren Pflanzen in der Wundbehandlung. Außerdem wurde es gegen Gicht und rheumatische Schmerzen verwendet sowie bei Menstruationsbeschwerden.
Seine Wirkungsqualitäten wurden als wärmend und trocknend im 2. Grad beschrieben.

Ein kleiner Hinweis für diejenigen, die selbst in älteren und neueren Kräuterbüchern lesen: „Hartheu“ kann nicht einfach mit Johanniskraut gleichgesetzt werden, auch wenn dies von vielen behauptet wird.
Weder Hildegard von Bingen noch der erste deutsche Botaniker Leonhart Fuchs (1543) oder Lonitzer meinen mit Hartheu das Hypericum perforatum, sondern eine andere der vielen Hypericum-Arten.
So wird bei Lonitzer „St. Johannskraut, Hartheu und Kunrat“ unterschieden, wobei St. Johannskraut mit Hypericum perforatum gleichgesetzt wird.


Herkunft und Anbau

Das in der Kräuterheilkunde verwendete Johanniskraut oder Hypericum perforatum müßte eigentlich immer als Tüpfel-Johanniskraut oder Gemeines Johanniskraut bezeichnet werden, weil es daneben eine größere Anzahl weitere Johanniskraut- bzw. Hypericum-Arten gibt. Es gehört zu den Hartheugewächsen (Hypericaceen) und unterscheidet sich von den übrigen Arten durch seine 2 Längsleisten am Stängel und seine durchlöcherten, also perforierten Blätter. Dies kann man aber nur mit guten Augen bzw. bei genauem Hinsehen erkennen. Es handelt sich auch nicht um wirkliche Löcher, sondern um die durchsichtigen Öldrüsen. Die Pflanze wächst an Weg- und Straßenrändern, auf Böschungen, Waldrändern, Mager- und Trockenrasen und Heiden. Ihre gelben Blüten sind im Juni und Juli ein herrlicher Anblick. Drückt man die Blüten oder Blätter zusammen, so tritt ein rotes Öl heraus. Die Pflanze ist in ganz Europa heimisch.

Sie wird wegen der großen Nachfrage in Deutschland nicht nur hierzulande, sondern auch in Ungarn, Südafrika und Neuseeland angebaut.


Inhaltsstoffe

In der Heilkunde wird das Kraut der Pflanze (Hyperici herba) verwendet, das zur Hochblüte gesammelt wird. Unter den Inhaltstoffen sind zu nennen: Hypericine (0,1 – 0,3%; höchster Gehalt während der vollen Blüte), Phloroglucine, darunter Hyperforin (0,2 –4%; höchster Gehalt in den reifen Früchten); Flavonoide (2-4%); Gerbstoffe (6-15%) und etwas ätherisches Öl. Johanniskraut gilt als die Pflanze, die von der Wissenschaft am intensivsten untersucht worden ist. Dennoch sind die genauen Wirkungsmechanismen der Anwendung als mildes Antidepressivum unklar. Es wird nach wie vor darüber gestritten, welche der Inhaltsstoffe für Wirkungen verantwortlich sind, die man in mehreren Studien zweifelsfrei erfasst hat. Einige mögliche Effekte seien kurz aufgeführt: Johanniskraut erhöht möglicherweise die Menge der Neurotransmitter, fördert und verstärkt die Nutzbarmachung des Lichtes, vermindert den Anstieg von Cortisol bei Stress, steigert die Melantoninsekretion und einiges mehr.

Außerdem besitzt das Öl des Johanniskrauts eine entzündungshemmende, antimikrobielle Wirkung. Die Abbauprodukte des Hypericins geben dem Johanniskrautöl, das auch Rotöl genannt wird, seine Farbe. Das Oleum Hyperici enthält zudem Flavonoide, Hyperforin und dessen Abbauprodukte. Vor allem das Hyperforin wird für die antimikrobielle und wundheilungsfördernde Wirkung des Rotöls verantwortlich gemacht. Das Hyperforin hemmt in Verbindung mit Licht Viren und wahrscheinlich auch andere Erreger.


Anwendungen

Die große Bedeutung des Johanniskrauts spiegelt auch die große Anzahl der von der Kommission E empfohlenen Anwendungen:
Innerliche Anwendung bei psychovegetativen Störungen, depressiven Verstimmungen, Angstzuständen, nervöser Unruhe; Johanniskrautöl (Rotöl) kann innerlich auch zur Stärkung der Verdauung bzw. bei dyspeptischen Beschwerden angewandt werden.

Äußerlich angewendet, wird Johanniskrautöl (Rotöl) zur Nachbehandlung von scharfen und stumpfen Verletzungen und Verbrennungen 1. Grades empfohlen, sowie zur Nachbehandlung von Myalgien (Muskelschmerzen, z.B. Muskelentzündung, „Muskelkater“).

Der ölige Auszug aus Johanniskraut beruhigt die Haut, lindert Reizungen, kann Heilungsprozesse beschleunigen und pflegt trockene, gereizte Haut.
Außerdem soll sich Johanniskraut auch bei Reizblase und Bettnässen bewähren.