Dr. Johannes G. Mayer (1953 - 2019)

Am Montag ein Radio-Interview, am Dienstag ein Treffen mit einer Doktorandin zu ihrer Dissertation über Hildegard von Bingen, am Mittwoch die Erstausstrahlung eines Fernsehbeitrages über Klostermedizin, daneben die Arbeit an diversen Publikationen und Veranstaltungen zu Medizingeschichte und Phytotherapie sowie der obligatorische Berg an Verwaltungsarbeit - so ähnlich gestalteten sich für Johannes Mayer viele Wochen seit der Gründung der Forschergruppe Klostermedizin im Sommer 1999. Doch dieses Mal war alles anders, denn dieses Mal wollte der Körper einfach nicht mehr mitmachen.



Nach der Mammutaufgabe Landesgartenschau Würzburg 2018 mit über 400 Terminen für die Forschergruppe sollten die Jahre 2019 und 2020 ganz im Zeichen größerer Artikel und diverser Buchprojekte stehen: Die Epoche der Klostermedizin im Allgemeinen, Hildegard von Bingen im Speziellen, die Möglichkeiten pflanzlicher Antiinfektiva - Themen, die auch immer wieder auf unseren diversen Internetpräsenzen anklangen. Nach 20 Jahren intensiver Arbeit war es jetzt an der Zeit, ein erstes Fazit zu ziehen.

Als Johannes Mayer in den 1980ern als Germanist zur Medizingeschichte kam, war das alles nicht abzusehen. Immer wieder spielte er auch mit dem Gedanken, Profi-Musiker zu werden. Bis zuletzt war er Bassist und Sänger in diversen Formationen. Doch die Geschichte der Arzneipflanzen in Europa ließ ihn nicht mehr los, zu viel war in diesem Bereich noch komplett unerschlossen, zu viele Texte waren noch nicht ediert und übersetzt, zu viele Pflanzen und andere Zutaten nicht eindeutig identifiziert, zu viele Rezepte nicht pharmazeutisch und pharmakologisch durchgespielt. Ein wichtiger Partner wurde Prof. Franz-Christian Czygan (1934 - 2012), der von 1972 bis 2000 den Lehrstuhl für Pharmazeutische Biologie an der Universität Würzburg innehatte.

Die teils sehr kritisch zu betrachtende Kommerzialisierung Hildegards von Bingen zu den Jubiläumsjahren 1979 und vor allem 1998 trug letztlich auch dazu bei, dass 1999 die bis heute existierende Forschergruppe gegründet werden konnte. Von Anfang an war es Ziel, nicht nur wissenschaftlich zu arbeiten, sondern einzelne Aspekte auch für interessierte Laien verständlich aufzubereiten.

Eine oft erzählte Anekdote aus der Anfangsphase betrifft das sehr früh einsetzende Medieninteresse. Als die Pressemitteilungen zur Gründung im August 1999 versendet waren, fuhr Johannes Mayer in den Urlaub. Als er zurückkam, hieß es seitens der Mitarbeiter: "Johannes, Du bist morgen im Fernsehen. Eine Live-Sendung." Wenig später erschienen große Beiträge im "Spiegel" und anderen wichtigen Medien.

Als ich ihn im Mai 2003 in einem Proberaum in der Nähe von Würzburg zum ersten Mal traf, war er gerade aus dem Iran zurückgekehrt. Dort hatte er für "Terra X" zu Ibn Sina (Avicenna) gedreht (Reihe "Im Bann der grünen Götter").

Das "Handbuch der Klosterheilkunde" war da bereits einige Monate auf dem Markt. Das erfolgreichste Buch der Gruppe sollte 2013 noch einmal in überarbeiteter Form erscheinen. Auch der "Macer floridus", das wichtigste Kräuterbuch der Klostermedizin, war zu dieser Zeit schon übersetzt und herausgegeben.
Ein populär-wissenschaftliches Buch zur Natur- und Heilkunde der Hildegard von Bingen hingegen sollte unvollendet bleiben. Denn im Gegensatz zu den allermeisten Autoren seit 1970 wollten wir es ordentlich machen. Johannes Mayer war nach 35 Jahren intensiver Beschäftigung mit der Materie, 20 Jahren Forschergruppe und nach wiederholtem Drängen meinerseits erst zuletzt bereit für ein solches Unternehmen. Auch eine Monografie zur gesamten Epoche der Klostermedizin, wohl die erste Arbeit dieser Art, blieb leider skizzenhaft. Die konkrete Arbeit war für den Jahreswechsel 2019/20 angedacht.


Und hin und wieder wollte ich natürlich auch einfach in unserer Stammkneipe ein Hefe mit Dir trinken, Du das helle und ich das dunkle - wie so oft seit 2003.
Johannes, wir hatten uns doch noch so viel vorgenommen...


Tobias Niedenthal, 31. März 2019



Weiterführende Links:
"Mehr als Kneipp: Die Geschichte der Klostermedizin".
https://www.br.de/nachrichten/kultur/medizin-aus-dem-kloster-heilpflanzen-kneipp-hildegard-von-bingen,RLpQidE

Direkt zum Videobeitrag:
https://www.br.de/mediathek/video/altes-kraeuterwissen-medizin-aus-dem-kloster-av:5c9b99514823a30013765f87

Zum 20-jährigen Bestehen der Forschergruppe sendete der BR im Januar ein großes Feature:
https://www.br.de/radio/bayern2/forschungsgruppe-klostermedizin-wissen-moenche-moderne-medizin-zeit-fuer-bayern-100.html

Das Foto von Johannes Mayer im Kloster Bronnbach bei Wertheim am Main stammt aus der ZDF-Doku "Drogen - Eine Weltgeschichte" (2018) aus der Reihe "Terra X". Johannes Mayer und die Forschergruppe waren in den vergangenen 20 Jahren mehrfach in dieser Reihe zu sehen.
https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/drogen-eine-weltgeschichte-mit-harald-lesch-teil-eins-100.html
https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/drogen-eine-weltgeschichte-mit-harald-lesch-teil-zwei-100.html