1999 wurde die Forschergruppe Klostermedizin als Projekt des Instituts für Geschichte der Medizin an der Universität Würzburg gegründet.

Ziel des Projektes ist es, die Bedeutung einer Heilpflanze im Kontext der jeweiligen Zeit zu analysieren und die sich daraus ergebenden Bilder miteinander zu vergleichen. Solche Studien können kulturell bedingte Veränderungen hinsichtlich des therapeutischen Einsatzes einer Pflanze aufdecken, an vergessene Indikationsgebiete erinnern - und damit der Grundlagenforschung nach medizinisch wirksamen Pflanzeninhaltsstoffen neue Impulse geben.

Der Begriff "Klostermedizin" wurde dabei aus mehreren Gründen Programm. Zum einen geht es um eine medizinhistorische Epoche mit einer monopolartigen Stellung der Klöster nicht nur im Gesundheitswesen, die bis heute viel zu wenig bearbeitet wurde. "Klostermedizin" versinnbildlicht zum anderen eine interdisziplinäre Fragestellung: medizinhistorisch, kultur- und ordensgeschichtlich. Als Vermittler zwischen Erfahrungsmedizin und heutiger Therapieanforderung möchte man dabei entschieden der unreflektierten Übernahme des alten Wissens in vermeintlich alternative Heilverfahren entgegenwirken.




Die Epoche der Klostermedizin

Die Epoche der Klostermedizin ist der "Trichter", durch den das antike Wissen über Arzneipflanzen bis in unsere Zeit transferiert wurde. Und sie ist die Grundlage der großen Kräuterbücher der frühen Neuzeit, deren Inhalt bis in die Volksmedizin unserer Zeit wirkt. Ohne Kenntnis der Klostermedizin fehlt ein wichtiger Baustein, ohne den das Verfolgen historischer Entwicklungen und Bezüge zum Status quo nicht möglich sind.


Grundlagenforschung und Auftragsarbeit

In den zurückliegenden Jahren wurde einerseits eine Vielzahl von Pflanzenporträts erarbeitet, darunter Baldrian, Hopfen, Johanniskraut, Melisse, Calendula, Arnika und Mönchspfeffer; andererseits wurde zugleich eine Datenbank entwickelt. Sie umfasst alle Pflanzen, die in historischen Kräuterbüchern genannt werden. Mit ihr wird es möglich, auch bislang unklare Namen und Bezeichnungen zu identifizieren. Dies betrifft sowohl die Pflanzen als auch in einem zunehmenden Maß ihre Indikationsfelder.

Die dafür integrierten Dokumente gehen über die Epoche der Klostermedizin hinaus. Mehr und mehr werden auch antike und neuzeitliche Texte einbezogen. Die methodische Auswertung dieser Datenbank steht an. Dazu wird ein statistisches Verfahren entwickelt, das historische Indikationsangaben mit heute anerkannten Daten vergleicht und bewertet.


Die Forschergruppe Klostermedizin hat aber auch mit anderen Wissenschaftlern und deren Fragestellungen seit Bestehen engen Kontakt:

Es findet ein reger Austausch statt mit Projekten zur Missionsmedizin, die von Frau Dr. Anagnostou an der Marburger pharmaziehistorischen Schule bearbeitet werden, zur Ethnopharmazie, wie sie Prof. Michael Heinrich an der School of Pharmacy in London durchführt, oder auch zu pharmaziehistorischer Feldforschung, wie sie Prof. Kartnig in Graz anhand der Klosterapotheken Österreichs etabliert hat.


Datenbank

Die historischen Werke zur Phytotherapie des Mittelalters und der frühen Neuzeit werden daraufhin überprüft, ob die aufgeführten Indikationen tatsächlich auf Erfahrungswissen basieren, oder ob die Kräuterbücher Anweisungen überliefern, die lediglich theoretischen Überlegungen aus der Viersäftelehre entsprechen, oder wieweit sie aus anderen Traditionen oder aus Aberglauben stammen. Zu diesem Zweck sollen die Indikationen der einschlägigen Werke mit denjenigen aus ,Hagers Handbuch der Pharmazeutischen Praxis' verglichen werden, und zwar nach einem festgelegten System, so dass die Einzelergebnisse statistisch ausgewertet werden können.

Weil die Aufbereitungsarbeit der Kommission E des Bundesgesundheitsamtes (BGA) 1994 durch die 5. Novellierung des Deutschen Arzneimittelgesetzes abgebrochen wurde, muss der Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis für nicht monographierte Drogen anhand der aktuellen Literatur überprüft werden. Deshalb wurde auf ,Hagers Handbuch' als internationales umfangreiches Nachschlagewerk zurückgegriffen.

Ziel ist also, herauszufinden, inwieweit die historischen Indikationen auf nachvollziehbaren Erfahrungen beruhen oder inwieweit traditionelle Aussagen einfach abgeschrieben wurden. Ein zweites Ziel ist die Offenlegung der Traditionswege der so genannten volkstümlichen Anwendungen. Der Vergleich erfolgt abgestuft anhand von vier Kategorien:

  • Eine nahezu exakte Entsprechung der wörtlichen Indikation der historischen Texte mit den durch die Monographien der Kommission E bzw. entsprechende wissenschaftliche Literatur vorgegebenen Indikationen sichtbar wird.
  • Eine grobe Übereinstimmung der Indikationen im weiteren Anwendungsbereich ist gegeben.
  • Die Indikationen können über pharmakologische oder medizinische Überlegungen in Zusammenhang gebracht werden.
  • Eine symptomatische Wirkung ist ableitbar.