Die Klostermedizin bezeichnet eine historische Epoche der europäischen Medizingeschichte – keine eigenständige Therapie- oder Heilmethode –, in der besonders benediktinische Gemeinschaften zentrale Aufgaben in Pflege, Krankenversorgung und Wissenssicherung übernahmen. Ihre Hauptblüte fällt in die Zeit vom 8. bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts. Inhaltlich steht sie auf dem Fundament der antiken Humoralpathologie und einer breit gepflegten materia medica mit Schwerpunkt auf Heilpflanzen.
Die Regula Benedicti (um 540) schafft verlässliche Strukturen für Gemeinschaft, Arbeit und Fürsorge. Der frühmittelalterliche St. Galler Klosterplan (um 820; Datierung diskutiert) zeigt herbularius und infirmarium als feste Bestandteile der Anlage. Frühe Leittexte sind das Lorscher Arzneibuch (um 800) sowie der Hortulus des Walahfrid Strabo (wahrscheinlich in den 830ern), ein poetisches Lehrgedicht, das Gartenwissen und Medizin verbindet und sich an antiken Vorbildern orientiert.
Im Hochmittelalter (ca. 1050–1250, bis zum Ende der Staufer) wirkt die Schule von Salerno als europäischer Knotenpunkt. Constantinus Africanus (Monte Cassino/Salerno) macht durch Bearbeitungen und Übersetzungen arabische sowie arabisierte griechische Medizin neu zugänglich. Der Kanon der Medizin des Avicenna gelangt erst ab dem späten 12. Jahrhundert (Toledo, u. a. Gerard von Cremona) in der lateinischen Welt in Umlauf und prägt ab dem 13. Jahrhundert die Gelehrtenmedizin. Parallel gewinnen Überblickswerke an Gewicht: der Macer floridus (Lehrgedicht) und das Circa instans (Arzneimittellehre).
Die Mainzer Kräuterbuch‑Inkunabeln des späten 15. Jahrhunderts – Herbarius Moguntinus (1484), Gart der Gesundheit (1485), Hortus sanitatis (1491) – bilden die Brücke zur Frühen Neuzeit. In der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts setzen Otto Brunfels, Hieronymus Bock und Leonhart Fuchs neue Akzente: Botanik, Illustration und Anschauung rücken stärker in den Vordergrund; Klöster bleiben Orte der Pflege, Praxis und Tradierung.
Kernpunkte
Epoche, keine Heilmethode
Regula Benedicti (um 540)
St. Galler Klosterplan (um 820, Datierung diskutiert)
Lorscher Arzneibuch (um 800)
Hortulus (wahrscheinlich in den 830ern)
Schule von Salerno
Constantinus Africanus
Avicenna, Kanon der Medizin (lateinisch ab spätem 12. Jh.)
Mainzer Kräuterbuch‑Inkunabeln
Brunfels/Bock/Fuchs (16. Jh.)
In den zurückliegenden Jahren wurde sowohl eine Vielzahl von Pflanzenporträts erarbeitet, darunter die von Baldrian, Hopfen, Johanniskraut, Melisse, Calendula, Arnika und Mönchspfeffer, als auch eine Datenbank entwickelt. Sie umfasst alle Pflanzen, die in historischen Kräuterbüchern genannt werden. Mit ihr wurde es möglich, auch bislang unklare Namen und Bezeichnungen zu identifizieren. Dies betrifft sowohl Pflanzen als auch in einem zunehmenden Maß ihre Indikationsfelder.
Die dafür integrierten Dokumente gehen über die Epoche der Klostermedizin hinaus. Mehr und mehr werden auch antike und neuzeitliche Texte bearbeitet. Die methodische Auswertung dieser Datenbank steht an. Dazu wird ein statistisches Verfahren entwickelt, das historische Indikationsangaben mit heute anerkannten Daten vergleicht und bewertet.