Dem Hopfen soll man sich vorsichtig nähern, man müsse sich immer der „Ambivalenz dieser Pflanze bewusst sein." So warnte Franz-Christian Czygan in einem kulturhistorischen Portrait der Pflanze. Ein erneuter Versuch, die Geschichte der Pflanze zu erfassen, bestätigt diese Aussage und bringt einige neue Aspekte hinzu.
Der Hopfen bei den antiken Autoren
In den historischen Darstellungen zum Hopfen wird meist mit der Erwähnung von Hopfengärten im 8. Jahrhundert begonnen, aber bereits Plinius (gest. 79 nach Chr.) äußert sich über den Hopfen, bzw. die Sprossen des Hopfens. Für den Admiral und Naturforscher galten die jungen Triebe als eine Delikatesse; arzneiliche Anwendungen werden nicht erwähnt. Der Hopfen heißt hier „Lupulus salictarius", weil er wie ein Wolf die Weide anfällt.
Dass der Hopfen auch bei Dioskurides in der ‚Materia medica’ zu finden sei, behaupten Hieronymus Bock und Leonhart Fuchs in ihren Kräuterbüchern. Und in allen Kräuterbüchern des 16. Jahrhunderts ist zu lesen, dass der Hopfen auf Griechisch „Bryon" heiße, und Leonhart Fuchs beharrt sogar explizit darauf, dass Dioskurides unter „Bryon" den Hopfen beschreibe. Was Dioskurides im 1. Buch, Kapitel 20 unter dem Namen "Bryon" behandelt, ist jedoch eine Flechte oder ein Moos. Hieronymus Bock will dagegen in „Smilax trachea" (je nach Zählung Buch IV,142 bzw. 144 bei Dioskurides) den Hopfen erkannt haben. Der griechische Arzt meinte aber wohl Smilax aspera L., den Rauhen Smilax, der auf Deutsch auch „Scharfe Winde" genannt wird, wie beispielsweise in der deutschen Übersetzung des Dioskurides von 1616. Auch bei den übrigen antiken Autoren sind keine medizinischen Anwendungen des Hopfens zu finden. Nicht einmal zum Bierbrauen nutzte man ihn.
Frühes und hohes Mittelalter
Wenigstens letzteres änderte sich bald. Pippin, der Vater Karls des Großen, schenkte im Jahr 768 Hopfengärten („humlonarie") an die Abtei St. Denis bei Paris. Vermutlich diente schon seit dem 8. Jahrhundert der Hopfen zur Haltbarmachung des Bieres. Das gehopfte Bier war also wohl eine Erfindung der Mönche. Dabei blieb es dann aber auch für längere Zeit. Im 9., 10. und 11. Jahrhundert erfahren wir aus der Klostermedizin nichts Neues über den Hopfen; weder das ‚Lorscher Arzneibuch’ noch Walahfrid Strabo in seinem Gartengedicht noch Odo Magdunensis im ‚Macer floridus’ noch Constantinus Africanus in seinem ‚Liber graduum’ erwähnen die Pflanze auch nur am Rande. Lediglich zahlreiche Nachrichten über verschiedene Hopfengärten, nun auch im deutschsprachigen Raum – insbesondere in Bayern - kommen hinzu: so für Gründl in der Hallertau und Feldmoching bei München (9. Jh.).
Dafür befassen sich die Araber – nicht gerade als Bierfreunde bekannt – mit den medizinischen Möglichkeiten des Rankengewächses. Nach Mesue dem Jüngeren (gest. 1015) reinigt Hopfen das Blut, wie dann später fast überall zu lesen ist. Außerdem soll er die Gelbe Galle vertreiben; in den späteren Texten wird aus der Gelben Galle meist die Schwarze Galle, die Melancholie. Daneben wird der Hopfen bei Asthma, Leber- und Milzleiden, gegen Fieber und Entzündungen empfohlen.
Hildegard von Bingen (12. Jh.) und Albertus Magnus (13. Jh.) heben wiederum vor allem die Haltbarmachung von Getränken hervor. Die Äbtissin meint außerdem in ihrer ‚Physica’, dass der Hopfen Melancholie, also den Saft der Milz, die Schwarze Galle, verstärke und damit Trauer bereite. Bei allen übrigen Autoren, die dieses Thema behandeln, heißt es genau umgekehrt: Hopfen „reinige" die Melancholie. Albertus Magnus schreibt (um 1260), dass der Hopfen den Kopf beschwere. Dies könnte ein Hinweis auf eine schlaffördernde Wirkung des Hopfens sein.
Tatsächlich hat kurz zuvor der Araber Ibn Baytar (gest. 1248) auf die verdauungsfördernde und beruhigende Wirkung aufmerksam gemacht.
Im 14. Jahrhundert folgt Konrad von Megenberg in seinem ‚Buch der Natur’ teilweise dem großen Dominikaner Albert, fügt aber bereits auch die verdauungsfördernde Wirkung als ein „Aufschließen der zähen Säfte" hinzu.
Spätes Mittelalter – frühe Neuzeit
Erst im ausgehenden 15. Jahrhundert finden sich in den schriftlichen Quellen die Indikationen wieder, die Mesue Anfang des 11. Jahrhunderts nennt, so in den französischen ‚Secreta salernitana’ bzw. ‚Livre des simples Medicines’, einer erweiterten Fassung des ‚Circa instans’, oder im ‚Gart der Gesundheit’, dem ersten illustrierten Kräuterbuchdruck in deutscher Sprache.
Der gewaltige Zuwachs an Indikationen, der sich beim Baldrian um 1500 beobachten lässt, und dessen Verbreitung wohl vorwiegend auf die Destillierbücher des Hieronymus Brunschwig zurückgeht, findet beim Hopfen nicht so plötzlich statt. Aber im Verlauf des 16. Jahrhunderts kommt es doch zu einer ständigen Erweiterung. Mit dem Kräuterbuch von Adam Lonitzer werden in der beigefügten Tabelle erstmals alle Indikationsspalten belegt.
Interessant ist hier vor allem folgende Beobachtung: die von Mesue eingebrachte Indikation bei Asthma („Keuchen", bzw. „Verstopfung der Brust") konnte sich anscheinend nie wirklich durchsetzen. Ganz eindeutiger Schwerpunkt, bis weit ins 18. Jahrhundert hinein, wie im Universallexikon des Johann Heinrich Zedler aus den 30er Jahren, ist der Bereich Leber/Milz einschließlich Gelbsucht und Wassersucht, also schwere Stoffwechselstörungen bis hin zu Vergiftungen. Eine diuretische und emmenagoge Wirkung wird ebenso weiter tradiert, sowie der Einsatz gegen Entzündungen, insbesondere der Ohren, diverse Hauterkrankungen und bei stumpfen Traumata.
In der Frühen Neuzeit kommt die Schmerzlinderung neu hinzu, wie das in Johann Schröders ‚Höchstkostbarem Arzneischatz' (Nürnberg 1685) belegt wird. Hopfen als Schlaf- und „Nervenmittel" scheint also eine (Wieder-)Entdeckung des späten 18. Jahrhundert zu sein, vergleichbar dem Baldrian. Allerdings berichtet der Südamerika-Forscher Cobo schon um 1600, dass die Passionsblume wie der Hopfen beruhigend wirken soll (Hinweis von Frau Dr. Anagnostou).
19. und 20. Jahrhundert
Trotz einiger Belege für die beruhigende, schlaffördernde Wirkung des Hopfens geriet diese Anwendung im ausgehenden 19. Jh. fast in Vergessenheit, wie dies etwa an „Köhler`s Medicinalpflanzen" (1893) und Ziegler/Petzolds „Drogenkunde" deutlich wird. In der Drogenkunde von Otto Ziegler und Artur Petzold gilt der Hopfen als ein wassertreibendes, appetitanregendes Mittel; für den Bereich der Volksmedizin werden Blasenleiden und Magenverstimmung angeführt. Ein Hinweis auf eine beruhigende, schlaffördernde Wirkung findet sich nicht. In dem ‚Lehrbuch der biologischen Heilmittel’ von Gerhard Madaus (1938) heißt es dann jedoch: „Lupulinum wird als mild wirkendes Schlafmittel und Anaphrodisiakum verordnet." Von da an gilt der Hopfen als Sedativum, wird aber auch in fast allen Darstellungen als Stomachicum und Diureticum genannt.