Das ‚Lorscher Arzneibuch’
Das älteste erhaltene Werk der Klostermedizin im deutschsprachigen Raum ist das ‚Lorscher Arzneibuch’, eine medizinische Handschrift, die im letzten Jahrzehnt des 8. Jh.s, also zur Zeit Karls des Großen, im Kloster Lorsch (bei Worms) niedergeschrieben wurde (Codex Bambergensis medicinalis 1). Es handelt sich hier nicht um eine Arzneimittellehre, der Hauptteil besteht vielmehr aus mehreren Rezeptsammlungen. Zu den Quellen gehören die ‚Medicina Plinii’ und die ‚Physica Plinii’, auch finden sich Rezepte von Dioskurides und Galen sowie neueres Material. Die einzelnen Rezepte sind von sehr unterschiedlicher Art: sie können von ganz einfachen Anweisungen bis zu hochkomplexen Rezepturen gehen, in welche zahlreiche Drogen aus dem Orient eingearbeitet werden. Besonders interessant ist der zweite Text, ein Gedicht auf Kosmas und Damian sowie Hippokrates und Galen: hier werden also die christlichen Patrone der Medizin und Pharmazie neben die zwei berühmtesten Ärzte der Antike gestellt. Inhaltlich geht es darum, dass jedem, sei er arm oder reich, die Heilkunst zuteil werden müsse. Der Arzt solle deshalb seine materiellen Forderungen den Möglichkeiten des Patienten anpassen. Außerdem dürfe nicht nur an die teuren Spezereien aus dem Orient gedacht werden, denn auch die Berge und Wiesen der Heimat böten heilbringende Kräuter.
Der St. Galler Klosterplan und der ‚Hortulus’ des Walahfrid Strabo
Wie sehr die Mönche ihren Auftrag zur Pflege der Kranken ernst nahmen, kann am sog. St. Galler Klosterplan verdeutlicht werden. Dieser Plan eines idealen Klosters wurde wahrscheinlich um 820 im Kloster auf der Reichenau im Bodensee auf fünf große Pergamentstücke gezeichnet (heute liegt er in der Stiftsbibliothek von St. Gallen, daher sein Name). Er zeigt eine umfangreiche Gebäudeansammlung, in der ganz rechts oben ein Garten für Heilpflanzen, ein Arzthaus und ein Spital vorgesehen sind. Die Pflanzen, die in den Beeten des Gartens angebaut werden sollten, sind eingetragen. Die hier genannten Pflanzen sind weitgehend die gleichen, die kurze Zeit später Walahfrid Strabo in seinem Gartengedicht ‚Hortulus’ anführt.
Walahfrid, der vielleicht größte Dichter seiner Zeit, wurde 807 geboren, trat in das Kloster Reichenau ein und wurde zur Ausbildung nach Fulda, einem Bildungszentrum dieser Zeit, geschickt. Von Fulda aus kam er an den Königshof Ludwigs des Frommen nach Aachen, bis er schließlich Abt seines Heimatklosters wurde. Im Jahr 849 starb Walahfrid.
Walahfrid beschreibt in 444 Hexametern kurz den Gartenbau sowie 24 Pflanzenarten, wobei er in unterschiedlich ausgeprägter Weise auch auf deren medizinische Anwendung eingeht. Der ‚Hortulus’ ist also ebenfalls kein "Kräuterbuch", sondern ein literarisches Kunstwerk, das aber das Wissen um die Heilkraft der Pflanzen dokumentiert und somit auch den Kräutergarten des St. Galler Klosterplans bestätigt.