Plinius, Dioskurides, Galen und Pseudo-Apuleius

Für die ersten eigenen medizinischen Werke der Klostermedizin wurde ein anderer römischer Autor noch bedeutsamer, der Flottenkapitän und Naturforscher Plinius der Ältere, der beim Ausbruch des Vesuvs im Jahr 79 n. Chr. ums Leben kam. Seine riesige Naturenzyklopädie ‚Naturalis historia’ umfasst auch mehrere Bücher zu den Pflanzen und Tieren mit zahlreichen Hinweisen auf ihre medizinische Verwendung (Bücher 20-32). Die medizinischen Aussagen aus der ‚Naturalis historia’ wurden im 4. Jh. in der dreibändigen ‚Medicina Plinii’ zusammengestellt. Der Inhalt ist hier nicht mehr nach Pflanzen und Tieren geordnet wie in der Vorlage, sondern nach den Krankheiten von Kopf bis Fuß (Kopfweh bis Gicht; Band 1 und 2). Im 3. Band folgen Krankheiten, die den gesamten Körper befallen, wie Fieber und Vergiftungen. Diese ‚Medicina Plinii’ wurde sodann durch andere Quellen erweitert, insbesondere durch Gargilius Martialis und die Übersetzung einer Schrift des Alexander von Tralles. Diese erweiterte Fassung wurde als ‚Physica Plinii’ überliefert.


Etwa zur gleichen Zeit wie Plinius schrieb der griechische Arzt Pedanios Dioskurides seine ‚Materia medica’. Der „Dioskurides" wurde zum bedeutendsten Werk der Kräuterheilkunde, obwohl auch Heilmittel tierischen und mineralischen Ursprungs darin zu finden sind. Es gliedert sich in fünf Bücher. Das erste behandelt u.a. die Öle und Salben sowie die Bäume, das zweite die Tiere, Milch, Honig und Fette sowie Getreide, Gemüse und Gartenkräuter. Das dritte und vierte gehen auf die weiteren Kräuter und die Wurzeln ein; im fünften werden neben den Weinsorten und den übrigen Getränken die Mineralien vorgestellt. Einige Gruppen sind nach ihrer Wirkung zusammengestellt, wie diuretisch, abführend, aphrodisierend, oder nach Verwandtschaften. Für den schnelleren Zugriff wurde die ‚Materia medica’ in eine alphabetische Reihenfolge gebracht und mit Abbildungen versehen. Zu dieser Art gehört der berühmte ´Wiener Dioskurides` (Österreichische Nationalbibl., Codex medicus graecus 1). Alphabetische und nicht-alphabetische Fassung haben eine eigene Überlieferung, wobei es jedoch zu wechselseitigen Einwirkungen kam. Der ‚Wiener Dioskurides’ behandelte ursprünglich 435 Pflanzenarten, wegen Blattverlusten sind heute nur noch 391 vorhanden, davon 383 mit Abbildungen. Allerdings stellt dieser Codex bereits eine erweiterte Fassung dar. Bis ins 16. Jh. hinein wurden die Versionen der ‚Materia medica’ immer wieder abgeschrieben; besonders für die humanistischen Autoren des 16. Jh.s wie Fuchs, Bock, Brunfels und Matthioli war das Werk des Dioskurides von entscheidender Bedeutung, während das Mittelalter anderen Werken den Vorzug gab.

Galen aus Pergamon (129 - ca. 200 n. Chr.) ist nach Hippokrates der bedeutendste Arzt der Antike. Sein großes Lebenswerk stellt im Kern einen Kommentar zu den Büchern des ‚Corpus hippocraticum’ dar. Auch er hat eine Schrift über die einfachen Arzneimittel (Simplicia) verfasst, die deutlich auf Dioskurides fußt. Für die weitere Entwicklung ist eine andere Leistung bedeutsamer: Galen schuf aus den verschiedenen Strömungen seiner Zeit eine medizinische Krankheitslehre, die als Humoralpathologie bzw. Viersäftelehre in die Medizingeschichte einging und bis ins 19. Jh. hinein wirkte.

Vom Ende des 4. bis zum Anfang des 6. Jahrhunderts entstanden einige anonyme Texte und Traktate, die für die Klostermedizin und die mittelalterliche Phytotherapie bedeutend wurden. So der ´Betonica-Traktat`, der nachträglich dem Antonius Musa, dem Leibarzt des Kaisers Augustus, zugeschrieben wurde, knapp 50 Indikationen für den Heilziest oder die Heilbatunge (Stachys officinalis) aufzählt und so ein Vorbild für die im Spätmittelalter sehr beliebten Wunderdrogentraktate wurde. Diese Wunderdrogentraktate behandeln jeweils eine Pflanze und erheben sie in den Rang eines Allheilmittels. Sie spielten in den Kräuter- und Destillierbüchern von Hieronymus Brunschwig, Adam Lonitzer und besonders bei Tabernaemontanus und allen Folgewerken der frühen Neuzeit eine große Rolle.

Ähnliches gilt auch für den sog. Pseudo-Apuleius, ein bebildertes Herbar mit kurzen Texten, das fälschlicherweise dem Dichter Lucius Apuleius von Madaura (2. Jh.), dem Verfasser des berühmten Romans vom goldenen Esel, zugeschrieben wurde. Die Überlieferung schwankt sehr; je nach Handschrift (es sind mehr als 50 erhalten) werden gut 90 bis über 130 Pflanzen behandelt. Die ältesten erhaltenen Handschriften stammen aus dem 6. Jh., das Werk selbst wurde vermutlich im ausgehenden 4. Jh. zusammengestellt. Es zeigen sich viele inhaltliche Berührungen zur ‚Materia medica’ des Dioskurides bei starker Kürzung.