In kaum einem anderen Werk des Mittelalters wird die Humoralpathologie (auf der Grundlage der Schriften Galens) so umfassend ausgebreitet wie im ‚Canon medicinae’ des Abu `Ali al-Husain ibn `Abdallah ibn al-Hasan ibn `Ali ibn Sina aus Buchara, in Europa bekannt mit seinem latinisierten Namen Avicenna (von Abu ibn Sina) (um 978 - 1037). Der ‚Canon’ wurde um 1170 in der Übersetzerschule in Toledo von einer Gruppe um Gerhard von Cremona (1114 - 1187) ins Lateinische übertragen.
Ein knappes Jahrhundert später stieg er zum zentralen Werk des Medizinunterrichts an den europäischen Universitäten auf, eine Stellung, die er bis ins 16. Jh. innehatte.
Der Philosoph und Arzt stellt zu Beginn des 2. Buches (über die Simplicia) seines ‚Canon medicinae’ die Wirkung der Heilmittel und ihre Qualitäten ausführlich dar. Dieses 2. Buch beschreibt die Einzeldrogen in 758 Kapiteln von sehr unterschiedlicher Länge, wobei Avicenna seine Kapitel durch Stichworte jeweils in gleicher Weise systematisch gliedert. Viele der Pflanzenarten, Pflanzenprodukte oder tierischen Drogen waren jedoch nicht ins Lateinische übersetzbar und sind noch in den Drucken des 16. Jh.s nur in arabischer Sprache angegeben. Nicht nur deshalb kritisierten die Ärzte und Humanisten wie Leonhart Fuchs (1501 - 1566) und Otto Brunfels (1488 - 1534), dass man Avicenna bis in ihre Tage nicht verstanden habe.