Facebook

Instagram

Twitter

linkedin

Arzneipflanze des Jahres

Auf dieser Seite finden Sie Informationen zur Arzneipflanze des Jahres, die vom "Studienkreis  Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde" am Institut für Geschichte der Medizin an der Universität Würzburg jährlich gewählt wird.

Texte zu allen bisherigen Arzneipflanzen des Jahres finden sich auf unserer Homepage Welterbe Klostermedizin.

 

Weißdorn ist seit Generationen als Arzneimittel zur Unterstützung von Herz und Kreislauf bekannt. Aufgrund vieler neuer Erkenntnisse zu den Wirkungen und der Bedeutung für die Pflanzenheilkunde wurde Weißdorn vom Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde an der Universität Würzburg zur Arzneipflanze des Jahres 2019 gewählt.


Geschichte des Weißdorns

In Sagen und Mythen wurden dem Weißdorn schon vor über 1.000 Jahren wundersame Fähigkeiten zugeschrieben. So fiel Dornröschen durch den Weißdorn in den hundertjährigen Schlaf. Ebenso galt Weißdorn aber auch als Zuhause der guten Feen. In der christlichen Zeit war der Weißdorn ein Zeichen für Hoffnung. Nach einer Legende soll selbst die Dornenkrone Jesu aus Weißdorn bestanden haben, woher vermutlich die Assoziation mit Leben und Tod stammt. Der Weißdorn beeindruckt jedoch nicht nur mit den vielen Erwähnungen in der Sagenwelt, sondern auch durch den seit Jahrhunderten andauernden medizinischen Einsatz und seine damit assoziierte Kraft. So wurden schon in der Antike Weißdorn-Arten medizinisch genutzt, etwa gegen Durchfall, Koliken und zur Blutstillung. Verschiedene nordamerikanische Stämme kannten und schätzten bereits die herzschützende Wirkung des Weißdorns. Erste Untersuchungen zur Heilkraft des Weißdorns erfolgten 1896 in den USA. In seinem großartigen „Lehrbuch der biologischen Heilmittel“ von 1938 schreibt Gerhard Madaus:
„Crataegus ist ein ausgezeichnetes Kardiakum [Herzmittel], das als fast unübertreffbar bei beginnender Myokardschwäche, namentlich im Alter und bei akuten Infektionskrankheiten bezeichnet werden kann.“

Ab den 1970er Jahren waren zahlreiche Anwendungen für Weißdornextrakt bekannt, wie z. B. bei Altersherz, Belastungsherz, Hochdruckherz mit und ohne Schwächeerscheinungen, leichtere Grade von Koronarinsuffizienz, Herzmuskelschwäche nach Infektionskrankheiten, Rhythmusstörungen, Durchblutungsstörungen des Gehirns und Herzinfarkt (Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, 1973). 1994 wurden aufgrund vorliegender Daten Weißdornblätter mit Blüten von der für Arzneipflanzen zuständigen Kommission E des damaligen Bundesgesundheitsamtes in dem Anwendungsgebiet der nachlassenden Leistungsfähigkeit des Herzens entsprechend Stadium II nach NYHA gesehen.



Weißdornextrakt als traditionelles Arzneimittel

Aufgrund der langjährigen Erfahrungen, der Unbedenklichkeit und der guten Verträglichkeit des Wirkstoffes wurden Weißdornblätter mit Blüten von der deutschen Zulassungsbehörde 2016 als traditionelles pflanzliches Arzneimittel eingestuft. Basierend auf langjähriger Erfahrung können Weißdornblätter mit Blüten auch bei zeitweilig auftretenden nervösen Herzbeschwerden (z. B. Herzklopfen, durch Ängste ausgelöste Extrasystolen) eingesetzt werden, wenn ärztlicherseits eine ernsthafte Erkrankung ausgeschlossen wurde. Befürwortet wird zudem eine Anwendung bei leichten Symptomen von Stress und als Schlafhilfe. Auf Grund der bekannten Wirkungen könnte der Einsatz von Weißdornextrakt nicht nur bei funktionellen (nicht organisch bedingten) Herzbeschwerden, sondern gerade auch bei ersten Anzeichen einer Herzinsuffizienz und zur Vorbeugung einer Herzschwäche sehr sinnvoll sein. Zur Herstellung von Arzneimitteln aus Weißdorn werden die Blätter mit den leuchtend-weißen Blüten der Weißdornsträucher oder -bäume verwendet. Sie enthalten wichtige sekundäre Pflanzenstoffe, wie die oligomeren Prozyanidine, die für die Wirkung verantwortlich sind. In Mitteleuropa sind mehrere Arten des Weißdorns zu finden, darunter auch der Eingriffelige (Crataegus monogyna Jacq.) und Zweigriffelige Weißdorn (Crataegus laevigata (Poir.) DC), die zur Herstellung von Arzneimitteln verwendet werden.


Wirkungen von Weißdorn auf Herz und Blutgefäße sind vielfältig

Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen haben in den letzten Jahrzehnten aufgeklärt, wie Weißdornextrakt die Herz- und Kreislauffunktion unterstützt. Der pflanzliche Wirkstoff wirkt sich positiv auf die Pumpkraft des Herzens aus. Die Durchblutung der Herzkranzgefäße und des Herzmuskels wird gesteigert, indem die Produktion des gefäßerweiternden Botenstoffs Stickstoffmonoxid (NO) stimuliert und dessen Abbau gehemmt wird. Durch die Steigerung der Kontraktionskraft des Herzens, die Verbesserung der Erregungsleitung und die Erhöhung der Reizschwelle kann Weißdornextrakt zudem vor Herzrhythmusstörungen schützen. Ebenso hält der Extrakt aus Weißdornblättern mit Blüten Gefäße elastisch, so wird der altersbedingte Verlust der Elastizität der arteriellen Blutgefäße gebessert. Auch werden die krankheitsbedingten Störungen der Endothelfunktion (Endothel = Gefäßinnenwand der Blutgefäße) gemindert und der periphere Gefäßwiderstand gesenkt. Es kommt zu einer Steigerung der Belastbarkeit und Kurzatmigkeit bei Belastung tritt später ein. Aktuelle Untersuchungen konnten zeigen, dass sich die Lebensqualität von Patienten unter Einnahme von Weißdornextrakt verbesserte und die körperliche Leistungsfähigkeit zunahm (Härtel et al., 2014).


Literatur

1. Gündling PW: Weißdorn – neue Erkenntnisse zu einer alten Heilpflanze. Ein Multitalent für Herz und Kreislauf. EHK 2017; 66: 208-214.
2. Härtel S, Kutzner C, Burkart M, Bös K: Einfluss von Training und Crataegus-Extrakt WS 1442 auf körperliche Leistungsfähigkeit und Lebensqualität bei leichter Herzinsuffizienz - eine randomisierte kontrollierte Studie. Z Phytother 2012 (Suppl 1): 17.
3. Härtel S, Kutzner C, Westphal E et al.: Effects of endurance exercise training and Crataegus extract WS®_1442 in patients with heart failure with preserved ejection fraction – a randomized controlled trial. Sports 2014; 2(3): 59–75.
4. Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis. Vollständige (vierte) Neuausgabe, hersg. von P.H. List und L. Hörhammer, Springer-Verlag Berlin, Heidelberg, New York, Bd. 4 1973: 330.
5. Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC): European Union herbal monograph on Crataegus spp., folium cum flore. EMA/HMPC/159075/2014. 5 April 2016.
6. Holubarsch CJF, Colucci WS, Eha J: Benefit-risk assessment of Crataegus extract WS 1442: An evidence-based review. Am J Cardiovasc Drugs 2018; 18: 25-36.
7. Madaus G: Lehrbuch der biologischen Heilmittel, Thieme-Verlag Leipzig 1938, S. 1119.
8. Pittler MH, Guo R, Ernst E: Hawthorn extract for treating chronic heart failure. Cochrane Database Syst Rev. 2008; (1): CD005312.
9. Wegener T. et al.: Stellenwert von Weißdornextrakt in der hausärztlichen Praxis - eine aktuelle Standortbestimmung. MMW-Fortschritte der Medizin 2018; 160 (54): 1-7.

 

 

Forschergruppe Klostermedizin

 

 

Go to top