Über längere Zeit - von der Mitte des 8. bis zur Mitte des 9. Jahrhunderts - entstanden, abgesehen von einigen Rezeptsammlungen, keine neuen Werke der Klostermedizin.

Gegen Ende des 11. Jahrhunderts ließ ein Mönch sich vom Gartengedicht des Walahfrid Strabo inspirieren. Er übernahm die Versform des lateinischen Hexameters, schuf jedoch ein Werk völlig anderer Art. Odo Magdunensis (also aus Meung an der Loire) schrieb ein reines Lehrgedicht, das ausschließlich heilkundliches Wissen vermitteln will. Jede Pflanzenstrophe beginnt mit dem Namen, und zumeist werden auch die Primärqualitäten genannt. Odo bezieht sich also auf die Humoralpathologie.


Unter dem Titel ‚De viribus herbarum’ beschrieb das Gedicht in einer ersten Fassung die medizinischen Anwendungen von knapp 60 Pflanzen, wobei Odo Plinius d.Ä., Dioskurides, Galen, aber auch Walahfried Strabo zitiert.
Kurz danach scheint eine zweite Fassung mit insgesamt 77 Pflanzen entstanden zu sein. Die zusätzlichen Pflanzenkapitel sind alle dem ‚Liber graduum’ des Constantinus Africanus (siehe dort) entnommen.
Odos Gedicht wurde sehr bald einem antiken Schriftsteller aus dem Freundeskreis Ovids, Aemilius Macer aus Verona, zugeschrieben, der der Autor eines häufig zitierten, allerdings bereits verlorengegangenen Pflanzengedichts war.
Unter dem Titel ‚Macer’ bzw. ‚Macer floridus’ (der blühende oder wieder erblühte Macer) stiegen Odos Verse zum meistverbreiteten Kräuterbuch des gesamten Mittelalters auf. Mehrfach wurde es auch ins Deutsche übertragen. Dabei konnte eine ´der Ältere deutsche Macer’ genannte Fassung aus der Zeit um 1220 wiederum eine enorme Wirkung erreichen.

Die Forschergruppe Klostermedizin hat den lateinischen Text ins Deutsche übertragen und kommentiert. (siehe: Literatur)